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Die Rechtsbehelfe im deutschen Strafprozess

Autoren: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Dobrin Petrov, Student der Rechtswissenschaften


Im folgenden Artikel werden die wichtigsten Rechtsbehelfe im deutschen Strafprozessrecht kurz und prägnant erläutert.

Berufung

Mit der Berufung (§§ 312-332 StPO) werden erstinstanzliche Urteile (solche des Amtsgerichts) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft.

Zuständig für die Berufung ist gemäß § 74 III GVG das Landgericht.

Die Berufungsinstanz stellt demnach eine zweite Tatsacheninstanz dar, in der auch neue Tatsachen und Beweismittel angeführt werden können.

Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu entscheiden, § 328 I StPO.

Revision

Die Revision (§§ 333-358 StPO) wendet sich gemäß § 333 StPO gegen alle erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Zuständig für die Revision ist in diesem Fall der Bundesgerichtshof, § 135 I GVG.

Des Weiteren ist die Revision gegen die Berufungsurteile des Landgerichts statthaft. Damit befasst sich gemäß § 121 I Nr.1 b) GVG das Oberlandesgericht.

Gemäß § 335 StPO besteht die Möglichkeit der sog. Sprungrevision bei erstinstanzlichen Urteilen des Amtsgerichts. Zuständig für die Revision ist in diesem Fall das Oberlandesgericht, § 135 I GVG.

Berufung oder Revision?

Der Rechtsmittelführer hat die Wahl, ob er gegen das Urteil des Amtsgerichts lieber mit der Berufung oder mit der Revision vorgehen möchte.

Die Besonderheit der Revision besteht darin, dass es sich um eine reine Rechtsinstanz handelt (§ 337 I StPO). Dies bedeutet, dass im Rahmen der Revision keine neuen Tatsachen und Beweismittel angeführt werden können. Es wird lediglich überprüft, ob das Urteil der Vorinstanz das Gesetz verletzt. Gemäß § 337 II StPO ist das der Fall, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Unter einer Rechtsnorm sind sowohl Vorschriften des materiellen Rechts (bspw. StGB) als auch solche des formellen Rechts (bspw. StPO, GVG) gemeint.

Hält das Gericht die Revision für begründet, hebt es das angefochtene Urteil auf, § 353 I StPO. Grundsätzlich wird dann die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen, § 354 II StPO. Diese ist an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, die der Aufhebung zugrunde liegt, gebunden, § 358 I StPO.

Ausnahmsweise trifft das Revisionsgericht selbst eine Entscheidung, wenn die Voraussetzungen des § 354 I StPO erfüllt sind. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind und keine neue Strafzumessung vorzunehmen ist.

Beschwerde

Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO gegen gerichtliche Beschlüsse sowie Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und des beauftragten bzw. ersuchten Richters statthaft.

Das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, hilft der Beschwerde ab, wenn es sie für begründet hält. Andernfalls legt es die Beschwerde gemäß § 306 II Hs. 2 StPO dem zuständigen Beschwerdegericht vor.

Zuständiges Beschwerdegericht ist bei angefochtenen Entscheidungen des Amtsgerichts das Landgericht, §§ 73 I, 76 I GVG.

Zuständiges Beschwerdegericht ist bei angefochtenen Entscheidungen des Landgerichts das Oberlandesgericht, §§ 120 III, IV, 121 I Nr.2 GVG.

Zuständiges Beschwerdegericht ist bei angefochtenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts der Bundesgerichtshof, § 135 II GVG, der in der Regel in der Besetzung von drei Mitgliedern entscheidet, § 139 II GVG.

Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden.

Weitere Beschwerde

Die weitere Beschwerde ist ein Rechtsmittel gegen bestimmte Entscheidungen des Beschwerdegerichts. Voraussetzung für die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde ist, dass die angefochtenen Entscheidungen Verhaftungen oder einstweilige Unterbringungen betreffen. Sie ist gemäß § 310 StPO nur gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts statthaft. Zuständiges Beschwerdegericht gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts ist das Oberlandesgericht (§ 121 I Nr.2 GVG) und gegen solche des Oberlandesgerichts der Bundegerichtshof (§ 135 II StPO).

Sofortige Beschwerde

Die sofortige Beschwerde unterscheidet sich zum einen dadurch von der einfachen Beschwerde, dass sie befristet ist. Sie muss innerhalb einer Woche eingelegt werden, § 311 II StPO. Ein weiterer Unterschied zur einfachen Beschwerde ist, dass das Gericht zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt ist. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht angehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet hält, § 311 III StPO.

Einspruch gegen einen Strafbefehl

Gegen den erlassenen Strafbefehl kann der Angeklagte innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen, § 410 I StPO. Sollte der Einspruch gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig erhoben worden sein, so ist er als rechtskräftiges Urteil anzusehen.

Über den Einspruch kann unterschiedlich entschieden werden:

  1. Gemäß § 411 I S.1 StPO kann der Einspruch durch Beschluss ohne Hauptverhandlung verworfen werden, wenn er verspätet ist.
  2. Sollte der Einspruch rechtzeitig erhoben worden sein, so wird ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, § 411 I S.2 StPO. Darüber hinaus ist das Gericht bei der Urteilsfällung gemäß § 411 IV StPO an den im Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht gebunden. Dies bedeutet, dass das Gericht die Tat auf abweichende Weise rechtlich würdigen und somit sein eigenes Urteil aussprechen kann, ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Antrag der Staatsanwaltschaft zu nehmen.
  3. Hat der Angeklagte seinen Einspruch auf die Höhe der Tagessätze einer festgesetzten Geldstrafe beschränkt, so kann das Gericht mit Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden. Des Weiteren darf von der Festsetzung im Strafbefehl nicht zum Nachteil des Angeklagten abgewichen werden. Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde zulässig, §§ 411 I S.3, 311 StPO.

Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht kann von jedermann erhoben werden, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (Art. 1 – 19 GG) oder bestimmten grundrechtsgleichen Rechten (Art. 20 IV, Art. 33, Art. 38, Art. 101, Art. 103, Art. 104 GG) verletzt glaubt.

Zu beachten ist, dass die Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen nicht zur Überprüfung im vollen Umfang führen, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße.

Damit die Verfassungsbeschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müssen grundsätzlich alle verfügbaren Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde) erschöpft worden sein. Nur in diesem Falle ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
  2. Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte ist nur innerhalb eines Monats zulässig. Innerhalb dieser Frist ist die Verfassungsbeschwerde nicht nur schriftlich einzureichen, sondern auch umfassend zu begründen, § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

Sollte das Bundesverfassungsgericht letzten Endes die Verfassungswidrigkeit eines Strafurteils positiv festgestellt haben, so ist diese Entscheidung aufzuheben und an ein zuständiges Gericht zurückzuweisen.