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Rechte und Pflichten des Zeugen im deutschen Strafprozess

Autor: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht

Der Zeuge gehört zu den zentralen Beweismitteln der Strafprozessordnung. Er berichtet aus eigener Wahrnehmung über ein Geschehen, das er konkret gesehen oder miterlebt hat. Die Aussage des Zeugen trägt zur Aufklärung von strafrechtlich relevanten Sachverhalten bei und kann grundsätzlich nicht durch andere Beweismittel ersetzt werden.

Erscheinungspflicht

Einer gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Ladung muss Folge geleistet werden. Der Zeuge muss zu dem bestimmten Termin erscheinen, auch wenn er der Meinung ist, nichts zu dem Vorfall berichten zu können. Die Erscheinungspflicht gilt selbst in Fällen, in denen der Zeuge bereits vor dem Ermittlungsrichter oder der Polizei ausgesagt hat. Eine Entbindung von der Pflicht kann bei schwerwiegenden Verhinderungen erfolgen, wie z. B. bei einer Erkrankung. Der Verhinderungsgrund muss dem Gericht unverzüglich mitgeteilt werden. Anderenfalls kann das Gericht einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegen. Zugleich besteht die Möglichkeit, gegen den Zeugen Ordnungsgeld zu verhängen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen. Das Gesetz sieht auch die zwangsweise Vorführung des Zeugen vor.

Aussagepflicht

Mit seiner Aussage erfüllt der Zeuge eine gesetzliche Pflicht. Die Angaben des Zeugen müssen der Wahrheit entsprechen. Er darf nichts verschweigen und nichts hinzufügen. Nach der Aussage muss der Zeuge die Fragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung, Nebenklagevertretung und eventuell des Angeklagten beantworten. Wenn Sie Aufzeichnungen besitzen, mit deren Hilfe Sie den Vorgang genauer darstellen können, können Sie diese Aufzeichnungen zum Termin mitbringen. Dadurch ersparen Sie dem Gericht zusätzliche Arbeit und möglicherweise eine erneute Vernehmung.

Ausnahmen von der Aussagepflicht

Eltern, Kinder, Ehegatten, Verlobte, Lebenspartner und sonstige Angehörige des Angeklagten haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Bestimmte Berufsträger wie Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte, Psychologen u. s. w. sind berechtigt, die Auskunft über ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit anvertraute Informationen zu verweigern.

Ein Zeuge kann vereidigt werden, wenn das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung seiner Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage die Vereidigung für notwendig hält. Das Gesetz sieht für einen Meineid eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor. An der hohen Strafdrohung kann die Wichtigkeit einer beeidigten Aussage erkannt werden.

Zeugenbeistand

Wenn Sie geladen werden, als Zeuge auszusagen, steht Ihnen das Recht zu, einen Rechtsbeistand Ihres Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen. Die anwaltliche Hilfe kann erforderlich sein, wenn Sie sich Ihre prozessualen Befugnissen erklären lassen wollen, insbesondere wenn Sie von einem Zeugnisverweigerungsrecht sachgerecht Gebrauch machen wollen. Wenn Sie Opfer einer Straftat geworden sind, haben Sie das Recht, einen Nebenklagevertreter hinzuzuziehen. In bestimmten Fällen, z. B. bei Sexualverbrechen oder Körperverletzungsdelikten, kann Ihnen das Gericht auf Antrag einen Rechtsanwalt beiordnen, dessen Kosten von der Staatskasse bezahlt werden.

Zeugenentschädigung

Alle Zeugen, die vor Gericht oder der Staatsanwaltschaft erscheinen müssen, haben Anspruch auf Entschädigung. Die Entschädigung umfasst den Verdienstausfall, Reisekosten und sonstige Aufwendungen wie Taxikosten oder eine erforderliche Übernachtung. Auf Antrag kann einem Zeugen vor dem Vernehmungstermin unter bestimmten Voraussetzungen einen Vorschuss für die zu erwartenden Reisekosten gewährt werden.